Eine Schule des Sehens | 20 Jahre Stadtkino Basel

Zu Begegnungen mit aussergewöhnlichen Werken der Filmkunst lädt das Stadtkino Basel ein.
‹Themenreservoir› steht auf einem umfangreichen Dateikasten im Büro des Stadtkinos Basel. Gute Ideen für thematische Reihen sind neben steter Beschäftigung mit dem aktuellen Kino und fundiertem Wissen über dessen Historie Voraussetzung für die Programmgestaltung. Denn anders als die ‹normalen› Spielstellen zeigt das Stadtkino nicht die Produktionen, die gerade neu auf dem Markt sind. Vielmehr spiegelt es das Filmschaffen in seiner ganzen Bandbreite, präsentiert inhaltlich und formal herausragende Werke.
So finden sich sehenswerte neue Filme im Programm, die – etwa weil sie keine übervollen Kassen versprechen – sonst kaum je auf eine Leinwand kämen. Im März läuft beispielsweise Jean-Luc Godards ‹Éloge de l'amour›. Das Schwergewicht liegt jedoch nicht beim Aktuellen: Primär bietet das Stadtkino seinem Publikum die Möglichkeit, bedeutende Werke der Filmgeschichte zu entdecken oder wiederzusehen. Und es gewährt regelmässig spannende Einblicke ins Schaffen eines Landes, einer Epoche oder von Regieführenden.
In der Programmierung hat das Stadtkino damit zu kämpfen, dass selbst Klassiker immer schwieriger aufzutreiben sind. «Noch vor zwei Jahren konnte David Lynchs ‹Eraserhead› gezeigt werden, heute ist der Film nicht mehr greifbar», gibt Corinne Siegrist-Oboussier, seit 1987 Geschäftsführerin, ein Beispiel. Verantwortlich für diese Entwicklung ist in erster Linie der schnöde Mammon. Ist der Vertrag, der einer Verleihfirma die Vermietung eines Films an die Kinos erlaubt, nach einigen Jahren ausgelaufen, wird er meist nicht erneuert. Und zwar, weil die Kosten einer Vertragsverlängerung mit Reprisenvorstellungen kaum mehr herauszuholen sind. Die Haltung der VerleiherInnen ist verständlich, doch für eine Spielstätte wie das Stadtkino ist diese Situation höchst unangenehm.

Knappe Mittel, dichtes Programm
Entstanden aus dem 1931 gegründeten Filmclub Le Bon Film trat das Stadtkino Ende März 1982 erstmals unter dem heutigen Namen an die Öffentlichkeit. Ein eigenes Haus, das war lange ein Traum, und 1990 war im Vorwort des Le-Bon-Film-Mitgliederprogramms zu lesen: «Ein voll ausgebautes Stadtkino ist nun in Basel wirklich überfällig». Selbstbewusste Töne – zu Recht! Schliesslich leisteten sich viele andere Städte im In- und Ausland längst eigene so genannte ‹kommunale Spielstellen›. Doch in Basel war die Zeit dafür noch nicht ganz reif. Also mietete sich das Stadtkino weiterhin an einzelnen Tagen im Studiokino Camera ein – und hatte somit keine Möglichkeit, ein Vollprogramm anzubieten. Dank dem finanziellen Engagement der Christoph-Merian-Stiftung war es dann soweit: Der ehemalige Skulpturensaal der Kunsthalle konnte in ein technisch formidabel ausgestattetes, schönes und komfortables Kino mit 99 Plätzen umgebaut werden; 1998 wurde es eröffnet.
Wer nicht zuerst an klingelnde Kassen denkt, sondern an Inhalte und gestalterische Formen, ist auf Unterstützung der öffentlichen Hand angewiesen – das liegt sozusagen in der Natur der Kultur. Das Stadtkino ist mit jährlich 200000 Franken vom Kanton subventioniert. Der Betrag ist seit zehn Jahren derselbe, will heissen: Heute muss mit gleich viel Förderungsgeldern gehaushaltet werden wie vor dem Wechsel zu einem eigenen Saal und einem Vollprogramm. So wurden 1992 mit den Subventionen rund zwei Drittel des Betriebsaufwandes bestritten, während sie heute bloss noch einen Drittel decken. Dass die Mittel knapp sind, ist dem Stadtkino-Programm indes keineswegs anzusehen Und die engagierte Filmfachfrau Corinne Siegrist-Oboussier mag auch nicht jammern, wenngleich Bedauern anklingt, wenn sie von Möglichkeiten und Chancen spricht, die ein besseres Finanzpolster eröffnen würden.
Rund 200 verschiedene Filme sinds, die pro Jahr in über 700 Vorstellungen gezeigt werden. Zur Freude vieler, werden derzeit doch jährlich rund 25000 Eintritte verkauft. Das Stadtkino ist zweifellos eine der wichtigen Kulturinstitutionen Basels, und zu wünschen ist ihm eine goldene Zukunft. An Ideen fehlt es jedenfalls nicht, das ‹Themenreservoir› ist noch lange nicht ausgeschöpft. | Judith Waldner

Stadtkino-Programm siehe Heft März 02, Seite 33. Jahres-Mitgliedschaft CHF 50
www.stadtkinobasel.ch/impressum/mitgliedschaft.htm