traumkinobasel
Kleinbasel

traumkino basel
mit freundlicher Genehmigung alle Fotos Union Peter Hauck www.hauckfotograf.ch


`Kleinbasels Kino-Vergangenheit lässt sich bestens mit der Gattung ,Revolverküche’ umschreiben. In ferner Vergangenheit hatte es nur einen Versuch gegeben, mit etwas angehobeneren Filmen zu reüssieren. Das war das Apollo in der Rebgasse, gleich neben dem Pfarrhaus der Theodors-Gemeinde, in einem Hinterhof gelegen und nach wenigen Jahren unhaltbar geworden. Am konsequentesten verhielt sich das alte Klara, damals ein oberirdisches Kino mit kleinem Balkon am Claragraben. Hier war der Western Trumpf, und alles, was Tom Mix, Hot Gibson, Richard Talmadge und später dann John Wayne hiess, drosch, hieb, ritt und schoss aufeinander los. Und dann die beiden grossen Leinwandflächen, das Wittlin, später Odeon in der Greifengasse und das Palace in der Rebgasse. Im Odeon war es jahrelang unmöglich, von Edgar Wallace nicht gefesselt zu sein. In beiden Kinos kamen je nach Umständen dann die Filme der Gattung ,Werwolf in London’, ’Die gelben Krallen des Doktor Fu Manschau’ sowie ,Dracula mit seinen Fledermäusen’ punkt Mitternacht zur Geltung. Was die Schauer-Fabriken bis hin zum Sado-Maso-Streifen nach Fliessbandprinzip herauswürgten, lief durch die Jahrzehnte in diesen beiden Gross-Kinos ab. Das Maxim, schräg gegenüber vom Odeon in der Greifengasse, hatte ein leicht differenzierteres Angebot. Hier bekam man auch das Melodram, auch europäischer Prägung, zu sehen. Die Kleinbasler Kino-Landschaft war für ein ganz spezielles Publikum gedacht. Für den Lehrling, der vom Velo steigt. Für den Arbeiter zwischen zwei Glas Bier abends nach dem Krampf. Für Jünglinge mit Bibeli im Gesicht auf der Suche nach dem ganz grossen Abenteuer. Für das rasche Liebespaar, das ohne Risiko einen Abend mit Gänsehaut verbringen möchte`
(Revolverküche-Ofen aus) Alpha BaZ vom 5.9.1985

traumkino basel
Cinema Ticket Onion
odeon
Foto Peter Heman
Zwei für eins: Was uns die Werbefritzen der Discount-Lädelis als ultramodernen Verkaufs-Hit verkaufen wollen, war früher in der Kinobranche gang und gäbe. Doch diese löbliche, weil geldsackfreundliche Tradition wird heute nur noch im Kleinbasler Kino Union hochgehalten. Für sechs Schtutz gibts dort gleich zwei normale Kinofilme. Selbst wer sich an der Bar noch ein Wurstbrot (auf gut deutsch:Hot Dog) holt, kommt hier billiger zu seinem Kinospass als in gewissen spannteppichbeklebten Lichtspieltheatern. Natürlich dröhnen nicht gerade Kung Fus letzte Schrei duch die Lautsprecher. Die Action-Filme haben schon ein paar Jährchen auf dem Zelluloid. Auch Kritiken finden sich keine in den Zeitungen: die Kommentare liefert sich das Publikum grad selber. Übrigens: Neben Schenkelklopfen, Pfeifen und Ausrufen ist im Kinosaal auch das Rauchen, Mampfen und Saufen gestattet. Verbotstafeln wurden bisher keine gesichtet. Übrigens 2: Es wird ab 3 Uhr nachmittags durchgespielt. ,Bahnhofuhren’ am Eingang zeigen, wann die einzelnen Filme anlaufen. Übrigens 3: An Wochenenden fährt die Kleinbasler Szene mächtig ein. Dann steigt die Stimmung, doch die 270 (gelegentlich mal defekten) Sessel werden zur Mangelware`
(Kung Fus letzte Schreie) Martin Brodbeck ,Freii Sicht uff Basel’ 1982

mit freundlicher Genehmigung Foto Peter Armbruster Fotoarchiv Hoffmann/ Copyright Staatsarchiv Basel

`Einst pfiffen hier die blauen Bohnen, knallten harte Männerfäuste, und die Eisenbahnzüge, die man entgleisen, in die Luft gehen, überfallen werden sehen konnte, gingen in die Hunderte. Das klickende Spannen der Revolverhähne, das dumpfe Getrappel anrückender Horden, und natürlich das Lärmen der Zechbrüder im Saloon, das alles wiederholte sich, Woche um Woche, zwölf Jahre lang, in allen Variationen, Farben und Stories: im Kino Palace an der Unteren Rebgasse. Die lapidaren Dialoge, markigen Flüche und sonoren Kommentare aus den Lautsprecherboxen des Lichtspieltheaters waren freilich nicht im Yankee-Original gehalten, sondern in melodiösem Italinisch, Konzession an ein Publikum, das es in Basel jetzt nicht mehr gibt. Für Peter Walch, Herr über die Basler Kinos Plaza, Hollywood und Palace, Anlass, im Kleinbasel die Notbremse zu ziehen: seit der Fremdarbeiter-Stopp die Zahl der Lateiner im Lande zusehends verringert, schrumpft die Nachfrage nach echten und unechten Italo-Western dem Nullpunkt entgegen. Direkte Auswirkung auf dem Kino Palace: Leinwandflimmern vor leeren Reihen, seit Jahr und Tag`
(Nouveau Niveau- Das Palace an der Unteren Rebgasse wird derzeit umgebaut und soll ab Ostern unter dem neuen Namen Abc, statt wie bisher Italo-Western, Streifen für gehobenere Ansprüche und Studiofilme bieten) Gérard Wirtz Basler Nachrichten vom 23.12.1976

AMERICAN BIOGRAPH
Clarastrasse 38
11.6.1910-1919 440 Plätze im Saalbau für Variétévorstellungen des Hotel ,Basler Hof’
1912-1914 Fata Morgana AG(Familie Rosenthal)-Neubau Polizeikaserne

APOLLO/KAMERA
Obere Rebgasse 28
3.10.1927-1938 620 Plätze im Hinterhof eines Wohnhauses(Architekt J.FR. Behrens)
seit 1931 als Cinéma Kamera
Umnutzung Eisenwarenlager

ORIENT
Klingentalstrasse 79
1964 Neubau Wohnungen,Restaurant,Kegelbahn+Kino mit 420 Plätzen(Architekt Max Bürgin) durch Einsprachen bekämpft konnte der Kinobetrieb nicht aufgenommen werden-zeitweilig als Theater und Rock'n Roll-Schule benutzt-seit 25.9.1989 das Häbse-Theater

PALACE/ABC
Untere Rebgasse 10
15.12.1927 im Fabrikgebäude der Färberei Schetty als Kino mit Variété mit ca. 1500 Plätzen(zuletzt 886 und 841;Architekt Hans Bernoulli)-1951 Umbau Aufstockung Wohnhaus(Architekt Marcus Diener)-Betreiber seit 1939 Familie Walch-letzter Spieltag 8.6.1975-Verkleinerung zum Studiokino ABC mit 349 Plätzen durch Einbau in Balkon 13.4.1977-letzter Spieltag 21.6.1981-Umnutzung Pick Pay+Migros

WITTLIN/ODEON
Greifengasse 5/Sägergässlein 6
8.4.1921-1929 als Cinéma Wittlin mit Variété(Erbauer+Besitzer[bis 1943]war Emil Wittlin,der den Betrieb verpachtete)-Wohn-+Geschäftsneubau mit Kino(Architekt Hermann Neukomm)mit ca. 900 Plätzen-Umbauten 1936,1947(Architekt Marcus Diener)+1955(Architekt Werner Gantenbein)ca. 700 Plätze-Betreiber Rudolf Rosenthal(Cinégraphe AG),(ca. seit 1941)Familie Ceppi-letzter Spieltag 31.12.1982-Umnutzung Möbel Pfister(heute Thalia Bücher)

WITTLIN/ODEON
Odeon Umbau 30er Jahre
   
 

UNION
Klybeckstrasse 64
24.11.1922-13.3.1988 400/470/300 Plätze(diverse Umbauten)-Betreiber Max Gass+(seit 1949)Willi Fromer-als ,Neues Kino’ besetzt durch die Bewegung um die Alte Stadtgärtnerei 1988-89(polizeiliche Räumung)-Wohn-+Geschäftsneubau Basler Kantonalbank

FATA MORGANA/KLARA/CLARA
Claragraben 64+Ecke Claragraben/Clarastrasse 2 (seit 1970)
1908-1914 (Verkauf an J. Engel und neu als Klara)als Fata Morgana Kleinbasel(Fata Morgana AG Familie Rosenthal)mit 300 Plätzen
in umgebauten Rossställen neben Wirtschaft ,Löwenbräu’/Bierhalle St. Klara
Totalumbau 1928(Tonfilm!/Architekten Franz Bräuning+Hans Leu)
307 Plätze-letzter Spieltag 3.1.1968-Besitzer Karl Huber& Co.
Revolverküche mit Doppelprogramm-Wiedereröffnung als Cinéma Clara im Clara-Neubau 5.9.1970 im Souterrain mit 350 Plätzen-Sexkino ca. seit 1971-letzter Spieltag 11.8.1985
seit 1985 als Cinéma Movie (siehe Studiokinos)

GREIFEN/ORIENT/MAXIM
Greifengasse 18+Rebgasse 1 (seit 1963)
29.10.1910-1923 als Greifen-Kinematograph in einem Wohnneubau mit Kino(Umgestaltung 1932/33)-bis 1928 als Cinéma Orient-Totalrenovation 1948(363 Plätze)-Abbruch 1964(Neubau Bankverein)-7.12.1963 Domizilverlegung UG Gewerkschaftshaus Rebgasse (Architekt Hans Baumann)mit 302 Plätzen-Betreiber Emil Kobi (1929-1958)+(seit Domizilverlegung)Wilhelm Siegrist-letzter Spieltag Ende November 1976-seit 1977 als Cinéma Camera(siehe Studiokinos)


`Nachdem wir in den letzten Wochen durch Beobachtungen des Maximkinos festgestellt haben, dass eine Kontrolle der Jugendlichen, die in ihrem Kino Einlass fordern, zu wenig oder gar nicht durchgeführt wird, haben wir am 9. April 1951 in Verbindung mit der Jugendanwaltschaft ihr Etablissement neuerdings während zweieinhalb Stunden überwacht und dabei bemerkt, dass eine grössere Anzahl Jugendlicher Einlass gefunden hat, ohne dass sie befragt worden wären, ob sie das 16. Altersjahr erreicht hätten, geschweige denn einen Ausweis vorzeigen oder einen Kontrollzettel ausfüllen mussten (…)
Beim Austritt aus dem Kino haben wir um 17 00 Uhr sieben Jugendliche ermittelt, die das 16.Altersjahr noch nicht erreicht hatten (…) Dabei sind wir ganz sicher, dass wir nicht alle Jugendlichen unter 16 Jahren ermittelt haben, weil es ganz unmöglich war, alle Jünglinge im Gedränge zu stellen und weil noch weitere Jugendliche im Kino sassen, die erst nach 15 00 Uhr das Kino betreten haben, und wir die bereits begonnene zweite Vorstellung nicht stören wollten`

Polizeiakte Cinéma Maxim vom 12.4.1951 - Staatsarchiv Basel-Stadt


Palace 30er Jahre

Video Kills the Radio Star
`Mit rauchenden Colts, männlich mahlenden Kiefern und dumpfem Pferdegetrampel, einmal so, einmal anders arrangiert, stets aber aktionsgetragen, hatte die Rebgasse, als die wirtschaftliche Konjunktur noch unter Volldampf stand, Süd- und Mittelitaliens Lavoratori in Schweizerischen Diensten nach Feierabend gelockt: das Kino Maxim, Dreihundertplätzer im Gewerkschaftshaus, brachte sich so, während Basels meiste Lichtspieltheater längst vor dem Phänomen eines unheimlichen Besucherschwundes standen, in Gesellschaft anderer ehemaliger Quartierkinos, mit Ach und Krach über die Runden. Die Italiener, mangels würdiger Alternativen im hiesigen Unterhaltungsangebot ihres Kulturkreises, zeigten sich als gute, recht anspruchslose Kunden. Jetzt, da allein in Basel an die tausend Schweizer und niederlassungsberechtigte Ausländer stempeln gehen müssen, bleiben auch im Kino Maxim die Kunden aus (...) Pächter Willy Siegrist, der im Hochhaus an der Heuwaage gleichzeitig ein Geschäft für antike Uhren betreibt, zog sich daher von der wenig lukrativ gewordenen Szene zurück`
(Cinémaximum? Abschied von der Revolverküche) Gérard Wirtz Basler Nachrichten 27. Juli 1976


Wittlin/Odeon 20er Jahre - Nachlass Frieda Rosenthal, zVg Paul Meier-Kern
`Das Union hat seinem Ruf, eine famose Revolverküche zu sein, alle Ehre gemacht. Mitten in der Vorstellung eines James-Bond-Films fiel einmal ein richtiger Revolverschuss. Im Schusshagel aus dem Lautsprecher fiel dies niemandem auf, ausser einem Herrn Kalbermatten, in dessen Sitzfleisch eine Kugel steckte.
traumkino basel   La dernière scéance (von Eddy Mitchell) traumkinobasel
 traumkino basel La lumièr' revient déjà
Et le film est terminé
Je réveille mon voisin
Il dort comme un nouveau-né
Je relèv' mon strapontin
J'ai une envie de bailler
C'était la dernièr' séquence
C'était la dernière séance
Et le rideau sur l'écran est tombé

La photo sur le mot fin
Peut fair' sourire ou pleurer
Mais je connais le destin
D'un cinéma de quartier
Il finira en garage
En building supermarché
Il n'a plus aucune chance
C'était sa dernière séance
Et le rideau sur l'écran est tombé

traumkino basel

{Refrain1:}
Bye Bye les héros que j'aimais
L'entr' acte es terminé
Bye Bye rendez-vous à jamais
Mes chocolats glacés, glacés





J'allais rue des solitaires
A l'école de mon quartier
A cinq heures j'étais sorti
Mon père venait me chercher
On voyait Gary Cooper
Qui défendait l'opprimé
C'était vraiment bien l'enfance
Mais c'est la dernière séquence
Et le rideau sur l'écran est tombé

traumkino basel

{Refrain2:}
Bye bye les fill's qui tremblaient
Pour les jeunes premiers
Bye bye Rendez-vous à jamais
Mes chocolats glacés, glacés.





La lumière s'éteint déjà
La salle est vide à pleurer
Mon voisin détend ses bras
Il s'en va boire un café
Un vieux pleure dans un coin
Son cinéma est ferm,
C'était sa dernière séquence
C'était sa dernière séance
Et le rideau sur l'écran est tombé


Am nächsten Tag war das Kriminalkommissariat im Hause, und die Zeitungen hatten ihr gefundenes Fressen(…)Auch zur ,Bumserloge’ weiss Willi Fromer eine Anekdote zu erzählen:“Da trieb es doch ein Paar zusammen, stehend und an die nicht besonders solide Brüstung der Loge angelehnt. traumkino baselDas Knarren der Brüstung lockte alle Augen der Besucher nach hinten:der Film, der vorne auf der Leinwand flimmerte, war plötzlich vergessen. Nach einiger Zeit kam der Mann schweisstriefend aus der Loge und sagte mir im Vorbeigehen:“Der Film hat mich so bewegt“ “(…)Das Union hatte nicht nur eine solche ,Bumserloge’, sondern wurde von vielen bis zuletzt gewissermassen als Beichtstuhl augesucht. ’Beichtvater’ war natürlich Willi Fromer. traumkino baselBei ihm konnte man sich aussprechen, konnte ihm seine ganz privaten Probleme anvertrauen, aber ihn konnte man auch an freudigen Neuigkeiten aus dem Familienleben teilnehmen lassen(…)Aber die Gemeinschaft der notorischen Union-Besucher war eine Gemeinschaft notorischer Einzelgänger. Manche betraten das Kino mit hochgezogenem Mantelkragen, Zigarettenstummel im Mundwinkel, Drei-Tage-Bart im Gesicht und mit verhangenen Augen. Solche James-Dean-Typen legten das Eintrittsgeld stumm traumkino baselauf die Kasse, tranken schweigend einen Kaffee an der Bar und suchten sich dann einen isolierten Sitzplatz. Zwei Filme im Union zu sehen hatte, die gleiche Wirkung, wie wenn man mehrere Whiskys herunterstürzt. Mit der Zeit waren einem die verkrachten Existenzen, verkannten Genies, mit dem ersten Roman ringenden, schwarz angezogenen Jungschriftsteller vertraut. Diese aus dem Augenwinkel zu beobachten, war interessanter, als den Filmhelden auf der Leinwand zuzusehen. Ja, die ,lonesome riders’ des Kleinbasels, wohin sollen sie jetzt reiten?`
traumkino basel traumkino basel
(Basels letzte Revolverküche wird am Sonntag endgültig geschlossen. Das Union brachte seinem langjährigen Besitzer nur finanzielle Einbussen. Seine Schliessung empfinden aber viele als einen Verlust an Lebensqualität) Victor Weber BaZ vom 12.3.1988

Kleinbasel
traumkinobasel