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STUDIO CENTRAL (Fotografie Tobias Indermühle – Herzlichen Dank an den Geschä;ftsführer Colin Norman Appert)


Seitdem der Verkauf der Karten mit dem Kiosk- und Barbetrieb zusammengelegt ist, sind die Kassenhäuschen der Basler Kinos verwaist. Meta d'Aujourd'hui, geborene Schaeren, erinnert sich. Sie hat von 1959 bis 2005 mit einem halben Jahr Unterbruch in Liestal und Basel für die Branche gearbeitet und wohnt heute im Adullam

 

Da gibt es noch viel zu erzählen. Ihr hätte man immer gerne zugehört. Gespräche und ein guter Kontakt sind doch das Wichtigste. Wenn es danach spät wurde, hat der letzte Zug auch gewartet. Die Kondukteure wussten Bescheid. Alle haben sie mit Namen gekannt. Die Leute sprechen sie ja heute noch an.

1959 an der Kasse des ORIS hat alles begonnen. Sie ist auch in Liestal aufgewachsen, aber wohnte nach der Heirat schon in der Stadt. Da konnte sie bei den Eltern schnell wieder vorbei. Ihr Mann hat die Bewerbung auf die Anzeige unterstützt: es gab eine mühsame Nachbarin im Haus, man wollte etwas unternehmen.

Die Frau vom Chef führte sie in die Sache ein. "Schnell, schnell, schnell" musste es gehen. In fünf Minuten wechselten immerhin dreihundert Besucher ihren Platz. Ein bestimmter Ton war schon nötig. Aber nur für das Kino und niemals persönlich. Man muss mit den Gästen und unter dem Personal doch wissen, was ist.

Alle vier Vorstellungen am Wochenende waren meistens ausverkauft. Das glaube man heute gar nicht mehr. Die Leute sassen nach Dörfern zusammen und immer gleich: erster, zweiter oder dritter Rang. Der Balkon war natürlich schon reserviert. Der Chef ist bis zur Vorstellung geblieben. Dann telefonierte er erleichtert seiner Frau, es sei wieder voll. Das vergesse sie nie

Für besondere Gäste lagen Karten auf der Seite. Sie hat das nicht gerne gemacht. Zuerst kamen jedenfalls die, die immer kamen. Das war ihr egal. Sie hat Coiffeuse gelernt. Mit den einfachen Leuten konnte sie es gut. Die Gastarbeiter haben ja nicht mal die Wasserspühlung gekannt. Realistisches auf der Leinwand wollten die nicht gerade sehen. Die Italiener waren clanmässig organisiert. Zu den Frauen waren sie aber galant. Nicht so wie andere Volksgruppen später. Auf Italienisch hat sie sogar alle Kinowörter gelernt.

Probleme gab es ab und zu wegen Schlägereien. Die Polizei hatte darum Gratiseintritt. Ein paar ganz Schlaue haben es in Uniformhosen versucht. Sie hat schon manchmal ein Auge zugedrückt. Nur beim Alkohol während der Nocturnes blieb sie streng.

Früher sind vor allem die Männer ins Kino gekommen. Bei Pärchen hat sie aufgepasst, dass die Frauen nicht neidisch wurden. In der Pause ging eine Kollegin mit den Süssigkeiten in den Saal. Man war noch für die Kunden da: nicht wie heute die Kunden für das Geschäft. Vier Anweiserinnen, zwei Garderobefrauen, der Operateur und sie.

Mit dem Passepartout verbrachte sie auch viel freie Zeit im Kino - am liebsten im Eldorado, Palermo oder im Scala. Obwohl während der Arbeit immer jemand dabeibleiben musste. Dass der Film richtig lief und so. Und sie viele sogar x-mal gesehen hat. Der Operateur konnte ja nicht die ganze Zeit durch das Guckloch schauen.

Als ihr Mann starb, fiel sie in ein Loch. Da hat sie nach einem halben Jahr Pause 1991 im REX wieder angefangen. Später im STUDIO CENTRAL wurde sie ausgeraubt. Sie hat ohne Noten und nur mit dem Münz weiter bedient. Sie hat auch noch den Computer gelernt. Vor einem Jahr war nach dem Virus aber Schluss. Der Arzt hat einen Fehler gemacht. Das war 2005. Sie ist jetzt 86. Sie hätte gerne bis hundert gearbeitet. Es gibt doch noch viel zu erzählen.

Basel, Juli 2006




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