traumkino basel

HOLLYWOOD
`Wir stehen an der Kino Hollywood-Baustelle und werden wehmütig. Plötzlich hören wir die Melodie der alten ,Wochenschau’, sehen die Sequenz mit den turnenden Damen in Schwarz-Weiss, und versinken in Erinnerungen und einen weichen Kinosessel. Wir kauen halb fasziniert und halb abgestossen an den Fingernägeln, weil Dracula seinen schwarzen Mantel im eiskalten Wind flattern lässt. Jack Lemmon tanzt Tango, als Frau verkleidet mit einer Rose im Mund, und das Orchester hat verbundene Augen. Marilyn Monroe küsst Toni Curtis so innig, dass seine Brillengläser anlaufen, und ein spleeniger Millionär sagt am Steuer eines Motorbootes: „Nobody is perfect!“ In Ricks Café kreuzen Deutsche in Uniform auf, alle Gäste erheben sich und singen aus voller Brust solidarisch die Marseillaise. Humphrey Bogart verlässt zusammen mit einem uniformierten Franzosen den nebligen Flugplatz- das Ende einer grossen Liebe und der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. James Dean sitzt am Totenbett seines Vaters, Paul Newman geht an Krücken, und Liz Taylor glänzt vor lauter Schönheit. John Wayne trägt eine Waschbärenmütze und Henry Fonda einen langen Wildledermantel. Simone Signoret drückt einen kleinen Buben an ihr Herz, Yves Montand liebt Seitensprünge mehr als Brahms, Jean Paul Belmondo fährt sich mit dem Daumennagel über seine Lippen, und als er erschossen auf der Strasse liegt, verabschiedet sich seine Freundin Jean Seberg von ihm mit der gleichen Geste. Giulietta Masina trägt ein Clown-Gesicht, Jeanne Moreau und Brigitte Bardot tanzen in einem Western-Saloon, und Anita Ekberg steigt majestätisch in den Trevi-Brunnen. Katharine Hepburn und Spencer Tracy fragen sich, wer wohl zum Essen kommt, und Gregory Peck kämpft gegen Rassismus in einer Kleinstadt, wo die Nachtigall verstummt. Horst Buchholz trägt einen schwarzen Western-Hut, denn er ist einer der glorreichen Sieben. Orson Welles hat ein riesiges Vermögen und ein Schloss mit Schätzen aus der ganzen Welt, sein letztes Wort heisst aber ,Rosebud’, wie sein Schlitten aus seiner Jugendzeit. Marlene Dietrich kämpft vor Gericht mit allen Tricks um ihren Ehemann, und Peter Sellers tritt in einen Swimming-Pool und andere Fettnäpfchen. Marilyn Monroe verhilft einem Strohwitwer zu heissen Tagträumen, einem verflixten siebten Jahr und Stielaugen, weil ihr weisses Kleid wegen der Lüftung eines U-Bahn-Schachtes in die Höhe fliegt. Ein gefallener Engel bekommt nach einer Odyssee dank James Stewart endlich seine Flügel, und ein Glöcklein schellt am Weihnachtsbaum. Sal Mineo nimmt uns mit auf einen Exodus und wir werden seine dunkelbraunen Augen nie vergessen. Grace Kelly verwöhnt James Stewart, der mit Gipsbein am Fenster seines Zimmers verbringt, im Hinterhof ein toter Hund, seine Besitzerin schreit laut auf, überall gehen die Lichter an, eine Wohnung bleibt dunkel, aber es leuchtet eine glühende Zigarette auf.. Wir hören die wunderschöne Musik aus ,Vom Winde verweht’ und bevor wir auf rotem Grund die Worte ,The End’ lesen können, reisst uns der Lärm eines Riesenkrans aus unseren Kino-Träumen. Wie damals, als das Licht wieder anging und wir auf dem harten Boden der Realität gelandet sind. Träume aus einer Zeit, wo es in einem Film Dialoge statt Action gab, der Film ohne lästige Pause am Stück gespielt wurde, kein störendes Handy klingelte, kein Sitznachbar mit lauten Kau-Geräuschen Pop-Corn verschlang, das Publikum aus Respekt bis zum Ende des Abspanns sitzen blieb, die Filmstars und das Publikum noch rauchen durften und die Sessel aus Plüsch waren. Bye bye Kino Hollywood, bye bye Hollywood!`
(Good Old Hollywood Is Dying) Verena Berlinger Stadt Tambour 12/2005 (Fotos Rolf Jungen)
mit freundlicher Genehmigung Foto Hannes-Dirk Flury





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