traumkinobasel
Vorstadt

Mit Aufkommen des Tonfilms ab 1927 ist das Kino in die Basler Quartiere gekommen. Wo sich Strassenbahnen kreuzen und bis hinaus an die Ränder fahren, finden auch die Geschichten ihre neuen Plätze. Aber irgendwann hat hier die Vorführung trotz weiteren Eröffnungen nach dem Krieg an Glamour verloren und muss ihre Aufmerksamkeit mit dem Bildschirm teilen. Wohlstand, Fünftagewoche und individuelle Mobilität verändern die Gewohnheiten der Freizeit. Das besonders dankbare Publikum italienischer Gastarbeiter erleidet die Folgen der Rezession. Später liefern Video und privates Fernsehen alles nach Hause. Als nicht einmal mehr Sex rentiert, erlöschen die letzten Projektoren: Reminiszenz an das Lustspiel um die Ecke für die Hausfrau oder gleich die ganze Familie, Genrekino der spezielleren Art, Nachspiel und Wiederaufnahmen zu einem erschwinglichen Eintritt, Doppelprogramm, welches ganz sicher etwas parat hielt.

LICHTSPIELE BIRSFELDEN/ROXY
Muttenzerstrasse 6 Birsfelden
2.2.1927-30.6.1986(1927-54 als Lichtspiele Birsfelden)Wohn-+Geschäftsneubau mit Kino(Architekt Wilhelm Zimmer)mit 576 Plätzen-Umbau 1954 Einbau Foyer und Erstellung Estrade-Betreiber Josef Adelmann,(seit 1942)Elisabeth Adelmann,(seit 1950)Max Gass(Kino AG),(seit 1968)Marianne Gass+(seit 1983) Max junior Gass-Umnutzung Verein ‚Kulturraum Roxy’(seit 1994)

-> Geschichte des Cinéma Roxy

TELL
Bruderholzstrasse 39
15.11.1927-12.7.1968 Wohnneubau mit Kino(Architekten Suter+Burckhardt mit Baugeschäft Atzli)mit 556 Plätzen-Totalrenovation 1955-Betreiber Hersz Brunowski+(seit 1938)Kino-Unternehmung AG(Jacques Kolb)-1970 Neubau Wohnhaus mit Restaurant

MORGARTEN
Allschwilerstrasse 119
18.11.1927-31.12.1991 Wohnneubau mit Kino(Baugeschäft Atzli)mit 645 Plätzen-Betreiber Josef Adelmann+(40er Jahre)Familie Gass(Kino AG)-Sexfilme ab Mitte 60er mit Unterbrüchen-1992 Neubau Wohn-+Geschäftshaus

FORUM
Ecke Schanzenstrasse/St. Johanns-Vorstadt 41(Johanniterbrücke)
23.11.1928-31.5.1979 Wohn-+Geschäftsneubau mit Kino(Architekt René Cavin)mit 900 Plätzen(zuletzt 676)-Totalumbau 1955+1960(Architekten René+Hugo Toffol)ca. 720 Plätze-Liegenschaftseigentümer Allgemeine Kinematographen AG(seit 1956 auch Betreiber als Reca AG,1977 Verkauf an Kitag)-Direktoren Albert Besse,1952 bis 1968 Jakob Glaser,Guido Meyer-Umnutzung Squash-Center(heute Fitnesscenter 'forum sports club')

CORSO
Ecke Missionsstrasse/Spalenring(Eingang Missionsstrasse)-erstes von Anfang an für den Tonfilm ausgestattetes Kino 6.10.1931-30.4.2011 Wohn-+Geschäftsneubau(Rundbau)mit Kino(Architekten Karl Baumgartner+Ernst Bühler)mit 500 Plätzen(später 430)-Betreiber Ernst Dreher,(ca. seit 1959)Kino-Betriebe Otto Strobel(Immociné AG), (seit 1966)Inhaber Hans Furer,Karl Unternährer(Geschäftsführer Simon Winter),(ca. seit 1970)Max Gass(Kino AG)+(seit 1995)East Cinémas AG-Sexfilme ca. seit 1970-1985/86 Totalumbau-2000 Duplexumbau

mit freundlicher Genehmigung aus Zürich

RIO BINNINGEN
Hauptstrasse 35 Binningen
(1920-1925 Kino Apollo im Schloss Binningen;1928-1939 Kino Excelsior im Rössli)
13.10.1952-16.7.1989 Wohn-+Geschäftsneubau mit Kino(Architekten Groeflin & Muralda)mit 400 Plätzen-Betreiber Kino-Betriebe Otto Strobel(Immociné AG)+(seit 1981)Werner Lüthi-1984 Totalumbau zum Studiokino mit 161 Plätzen-Umnutzung ‚Internationale Schule des goldenen Rosenkreuzes’

ROYAL
Schwarzwaldallee 179 beim Badischen Bahnhof
29.1.1955-4.4.1977 mit 412 Plätzen(Bauunternehmer Werner Fuchs) in 1912-14 erstelltem Geschäftshaus(Umbau Hotel Royal zu Baukomplex mit Hotel/Restaurant,Kegelhalle+Kino)-Leinwand 5 auf 4,2 Meter-Betreiber Max Bachmann+(seit 1965)Mascotte AG(Peter Hellstern)-Umnutzung Ciba-Geigy Kongress-+Tageszentrum-Wiedereröffnung 26.4.2001 mit 330 Plätzen(siehe Studiokinos)-1958-1977 Einmietung Le Bon Film

KINO RIEHEN
Baslerstrasse 48 Riehen
10.6.1959-31.7.1966 Kinoneubau mit Wohnungen+Restaurant Feldschlösschen(heute UBS-Architekten Boos+Schacht)mit 398 Plätzen-Renovation 1963-Betreiber Mettler+Siegrist-Travaglini,(seit 1962)Brand+(seit 1963)Kino-Betriebe Otto Strobel(Immociné AG)-April 1968-April 69 versuchsweise Wiedereröffnung(Betreiber Mascotte AG)-Umnnutzung Fotostudio+Grafikatelier

LUXOR
Kleinhüningerstrasse 210 am Wiesendamm
27.10.1960-Juli 1976 Rückseite Hochhausneubau(Personalfürsorgestiftung Mustermesse-Architekt Hans Ackermann)mit 325 Plätzen-Betreiber Burgermeister+(seit1965)Herter-Umnutzung Lagerraum-1986 Umbau Bank SKA,Zahnarztpraxis+NQV Kleinhüningen
 
 
   
 







"2000 Unterschriften in 3 Tagen für einen soliden, kulturell anspruchsvollen Aussenposten" (Reinhardt Stumm)
mit freundlicher Genehmigung sämtliche Fotos Luxor Kurt Wyss
'Die Sechziger' Stumm/Wyss ISBN 3-85616-111-2



`Im Rio, im Royal, im Roxy, da wurde die Liebe jeweils doppelt genäht. Regensonntagnachmittag. traumkino baselDie Taschen voller Bonbons und Kaugummi. Beizeiten vor Ort, möglichst schon zur Kassenöffnungszeit. Dritter Platz Fr. 1.75. Die Placeuse fackelt mit der Taschenlampe zur drittvordersten Reihe. Wehe, wenn der Drittplätzler in der Dunkelheit heimlich nach hinten rücken wollte! Die Dame hatte ihre Kundschaft frühzeitig ins Auge der Platzkategorien gefasst. Ein Knacken in der Perlleinwand. Die ersten Reklamedias, ein Cefi-Filmchen, Wochenschau, Trailers, Vorprogramme, demnächst in diesem Theater. Pause, die Glacefrau. Erster Film: Brigitte Bardot in der „Krönung der Poppea“: Von Monteverdi wussten wir damals noch nichts, wohl aber hofften wir, den Star möglichst oft aus ihrer güldenen Badewanne steigen zu sehen. Die Zensur kürzte den Film auf Zweidrittellänge.traumkino basel Der zweite Film war ein Western. Revolverschüsse aus dem Colt. Gut und böse. Die Personnage kam je nach Lager aus Himmel oder Hölle und ritt über die Breitleinwand im Cinémascope-Verfahren. Hufschlag und Brautsentführung. Das erste Gähnen, stickige Luft, viereckige Augen. Nach sechs war aus. Draussen war’s schon dunkel. Die gute Vorstadt-Kinozeit. Da hatte man noch etwas fürs Geld. Ganze Kinonachmittage. Sie sind nicht mehr gefragt. Das Fernsehen liefert die Drittklassstreifen frei Haus. Und die dunklen Säle bleiben nachmittags dunkel`
(Liebe im Rio) -ni BaZ vom 27.6.1986
Rio Binningen Entrée umgebauter Saal des Rio 1988
mit freundlicher Genehmigung Fotos Dominik Labhardt
Das Ensemble von Nierentischen, Spiegeln und Lampen atmet Modernität von damals, als man mit Swing-Welle und hochgeschlagenem Mantelkragen Schlange stand


`Sonntag Nachts 10 Uhr kam es vor dem Morgartenkino zu erregenden Skandalszenen, sodass die Polizei einschreiten und die Demonstranten zerstreuen musste. Dazu erfahren wir von unterrichteter Seite, dass sich die Erregung des Publikums nicht speziell auf den wohl vollständig zerstückelt dargebotenen Film ,Delikatessen’ beschränkte, sondern in erster Linie, weil sich die ganze so grossartig angekündigte Vorstellung nur von 9 Uhr 30 bis 10 Uhr erstreckte, inbegriffen noch eine grosse Pause mit allerlei ,Gefüllsel’. Um 10 Uhr war das Personal verschwunden und das Publikum einfach sitzen gelassen, worauf es stürmisch sein Eintrittsgeld zurückverlangte. Der Operateur, der inzwischen aus der Wohnung geholt wurde, versprach, Ersatzfilme rollen zu lassen, er telefonierte auch ins Tellkino darum, aber in Haus und Hof war eben kein Film aufzutreiben. Die Besucher wurden von der Polizei unter Androhung einer Verzeigung wegen Nachtlärms zerstreut, jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass es sich auf dem Wege der Privatstrafklage sein Recht holen müsse, falls es sich betrogen fühle.
Dass dabei nichts herauskommt, als Kosten und Scherereien, weiss jeder Arbeitnehmer, und er wird sich in Zukunft hüten, seinen sauer verdienten Batzen solchen unreellen Direktionen in den Sack zu jagen, die sich über das dumme Publikum ins Fäustchen lachen`
(Hinter den Kulissen des Morgarten) Polizeiakte Cinéma Morgarten vom 28.12.1930 - Staatsarchiv
morgarten
mit freundlicher Genehmigung Baslerstab - Telefon mit Herrn Faller
`Für die Erhaltung des Kinobetriebes bestehen keine Chancen mehr. „Man findet niemanden, der das Kino weiterführen will, das ist nicht kostendeckend“, schätzt Vermieter Bächle die Lage ein. Die Gründe sind bekannt: Miete, Betriebskosten, und Filmverleih tragen zu enormen Kosten bei. Auf der anderen Seite sind nur wenige Einnahmeposten zu verbuchen. Das Vorortskino bekommt keine aktuellen Filme für Premieren zur Vorführung geliehen, und Binningen selbst ist nicht der Ort, um die abendliche Freizeit zu gestalten: Ins Kino geht man nicht nur des Kinos wegen in die Stadt. Das soziale und kulturelle Umfeld ist genauso wichtig. Ein Kino allein, so scheint es, kann eine Vorortsgemeinde auch nicht attraktiv machen. Und eine Vorortsgemeinde kann oder will sich ein Kino als fast schon nostalgische Reminiszenz nicht leisten`
(Endgültiges Aus für das Binninger Rio) mr. BaZ vom 8.5.1989


 
       
   
    mit freundlicher Genehmigung Baslerstab - Telefon mit Herrn Faller
traumkino basel
Copyrigth Basler Denkmalpflege,
Foto Christen 1969
`In Ergänzung zu Schule, Presse, Radio, Kirche und den Vereinen oblag dem Tell-Kino so etwas wie ’gehobene gemütvolle Unterhaltung’ gleich um die Ecke, ’finkenbequem’, was aber nicht hiess, dass man normalerweise in den Hausfinken ins Tell ging. Der gelegentliche Kinobesuch fand am Samstagabend statt`
(Erinnerungen ans Tell-Kino) Werner Gallusser Gundeldinger Zeitung

`Nicht allzu oft, aber doch hin und wieder hatten wir Vorlesung sein lassen, uns mit Pommes-Chips, ’Schoggi’-Stengeln und Coca-Cola-Büchsen eingedeckt und uns im nahen Forum-Kino einen dieser herrlich schlechten ,Spaghetti-Western’ angeschaut. Auch die alten Maciste-Filme, die von den Heldentaten eines Supergladiatoren erzählten und vorwiegend im alten Palace über die Leinwand flimmerten, hatten es uns angetan. Im Maxim gab’s für einen Fünfliber gleich zwei Krimis aus den düsteren Winkeln der Cinecittà oder auch- was wir weniger mochten- einen Karateschmöker plus Aufklärungsfilm.
Heute hat das Forum als eines der letzten Kinos die Konsequenzen aus der veränderten Lage gezogen: “Infolge des starken Rückgangs der Gastarbeiter sind wir gezwungen, die Programmation zu ändern“, schreibt die City-Cinéma-Betriebs AG. Mitverantwortlich für den schlechten Geschäftsgang, so erklärt Geschäftsführer Werner Lüthi, sei auch die Präsenz des Tessiner Fernsehens auf Basler Bildschirmen (…)Es wird interessant sein, zu verfolgen, ob das Kino an der Johanniterbrücke eine Bedeutung im Quartier bekommt. Sicher nicht als kulturelles Zentrum, aber vielleicht doch als Ort der Begegnung und die Alternative zum häuslichen Fernsehkasten. Und nach dem Film lässt sich bei einem Bier oder Glas Wein bestens plaudern. Ein bisschen mehr Leben stünde nicht nur der Innerstadt, sondern auch den einzelnen Quartieren gut an. Es wäre doch fein, wenn wir in Basel wieder ein echtes ,Fingge-Kino’ hätten. Wenn wir quasi in den Pantoffeln über die Strasse schlurfen und uns für einige Stunden nett unterhalten lassen könnten`
(Fingge-Kino) Christoph Klein BaZ vom 31.3.1978


traumkino basel
Eröffnungsprogramm des Kino Riehen 10. Juni 1959

`Der Film, vorerst nur auf die grossen Städte beschränkt und der Allüre vornehmer Isolation hingegeben (sic!), hat sich langsam auch in die Vorstädte hinausgewagt und ist eben daran, die Vororte zu erobern. Ein Beweis für die Entwicklung, die man als eine glückliche bezeichnen kann, ist das gestern eröffnete Kino in Riehen. Der Film, gewachsen und differenziert geworden, passt sich dem Geschmack und dem Bedürfnis verschiedener Bevölkerungsgruppen an. Das prägt sich schon im Aeusseren des von den Architekten H. Boos und E. Schacht geschaffenen Baues aus. Hier haben wir nicht mehr die einem grosstädtischen Kino nachgeahmte bombastische Prunk- und Stuckfassade, sondern die betont schlichte ländliche Haltung, die sich harmonisch dem alten Dorfkern eingliedert und eine bürgerliche Behäbigkeit und Eleganz ausstrahlt (…) Es fehlt glücklicherweise alles Knallige und Auftrumpfende (…) Nun will man, wie Dr. Hartmann erklärte, nicht nur in der architektonischen Gestaltung, sondern auch im Programm den Geist des Dorfes lebendig werden lassen. Man will sich nicht nur mit Reprisen begnügen, sondern auch Erstaufführungen bieten`
(Ein Kino in Riehen) bu. National-Zeitung vom 10.6.1959
Vorstadt
traumkinobasel